Hansestädte, Elbphilharmonie und Varusschlacht

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NICHT NUR AUF SALZ GEBAUT
Was auf Salz gebaut ist, gerät nach Jahrhunderten schon mal in Schieflage. Dann kann es notendig werden, das Ziegelwerk abzustützen, um es zu sichern. Doch was macht das schon, wenn dem "weißen Gold" ein bis heute staunenswertes Erbe verdankt wird? So allenthalben in Lüneburg, wo sich hinter der Barockfassade eines der bedeutendsten mittelalterlichen Rathäuser erstreckt.

Da wird Geschichtserfahrung zum Kunstgenuss. Llebevoll gepflegt und aufs Feinste restauriert, erzählen Wand- und Deckengemälde im Fürstensaal und in der Gerichtslaube vom noblen Regiment in der dank des Salzabbaus zu Reichtum gelangten Stadt. Beim Rundgang durch das weitläufige Ensemble gelang es der Führerin mit Witz und Dönkes die Besucher auf langen Wegen bei Laune zu halten.

Hamburg 2020 1

Ein vielstimmiger Akkord also gleich zu Beginn der 4-tägigen Kulturreise (19. bis 23. Oktober) auf den Spuren der "Hanse", Nach achtmonatiger Corona-Zwangspause ein sachter Versuch des Meckenheimer Bürgervereins unter bewährter Führung von Rotraut de Haas, die Ausflugstradition wieder zu beleben. MIt siebzehn Bürger- und innen, auf Abstand platziert im grossräumigen Luxusbus der vertrauten Firma Jablonski. Neugierde und Vorfreude hatten etwaige Reisebedenken überwogen. Standen doch mit Hamburg und Stade, das "Alte Land" inklusive, zwei weitere attraktive Hansestädte auf dem Programm. Würde auf dem Heimweg die Begehung des Varusschlachtgeländes im Osnabrücker Land einen interessanten Schlusspunkt setzen. Bis zuletzt vom geübten Blick fürs Ganze von Marion Jablonski geleitet - und bemuttert.

Hamburg, drittgrösster Hafen Europas, Zentrum internationalen Handels, lockt zudem mit "Elphi", Nach jahrelanger Bauzeit und finanziellen Querelen gilt die Elbphilharmonie inzwischen weltweit als Vorzeigestück moderner Stadtarchitektur mit gemischter Nutzung: unverkennbare "Landmark" der Millionenmetropole. Dass wir Meckenheimer im Grossen Saal den Cello-Virtuosen Mischa Maisky mit seinem dogma chamber orchestra in einem furiosen Auftritt erleben konnten, war trotz Maske ein Höhepunkt der Reise; blieb aber nicht das einzlge musikalische Zwischenspiel. Denn nicht allein Schiffbau und Seefahft kennzeichnen die reiche Elbestadt mit ihrer kilometerlangen Elbchaussee Richtung Blankenese. Auch Orgelspiel und Orgelbau haben im protestantischen Norden ihr Zuhause.
Das nicht zuletzt im "Alten Land", dem grössten Obstanbaugebiet Deutschlands. Vertraute Apfelplantagen sind das eine, aber Geest und Marsch hinter den Deichen haben dank ihrer ziegelroten Fachwerkhöfe und ihrer ungebrochenen bäuerlichen Kultur einen ganz eigenen Charme. Reizvoll die zu dekorativen Mustern
gefügten Ziegel in den einzelnen Gefächern der Fronten. Doch zurück zur Musik: Hier wurde vor über dreihundert Jahren der berühmte Orgelbauer Arp Schnitger geboren. Und eines seiner Prachtwerke konnten wir in der St. Pankratiuskirche in Neuenfelde bewundern und vor allem hören; ebenso wie während einer mittäglichen Orgelandacht im "Hamburger Michel", 
Erstaunlich, was sich alles in vier Tage packen lässt! Dabei wurde das wunderbar erhaltene Hansestädtchen Stade nicht einmal erwähnt - idyllische kleine Schwester
der Millionenmetropole. Niemand erwartet dort spektakuläre Bauten wie den Elbtunnel. Dessen anspruchsvoll überkuppelte Eingangshalle überrascht bei einem Zweckbau. Doch 1911 galt die "unterirdische Brücke' als technisches Wunderwerk. Als repräsentative Glanzleistung auf dem Kontinent, wenn auch vom britischen Vorbild in Glasgow inspiriert. Man spricht von Zehntausenden, die vor der Feftigstellung tagtäglich mit Barkassen von Ufer zu Ufer übergesetzt wurden, damit sie ihre Arbeitsplätze auf den Werften erreichen konnten. Das muss ein Bootschaos gewesen sein. Der Tunnel ist auch heute eine piekfeine Verbindung. Ausgestattet mit Grosslasten- und Personenaufzügen, die immer noch pefekt funktionieren, Fahrzeuge, Fussgänger und Radfahrer schaffen die vierhunderL Meter in Minuten!
Das Wetter war übrigens besser als vorhergesagt. So gelang es, trockenen Fusses den imaginären Kriegsschauplatz der Varusschlacht zu erkunden. Im Park Kalkriese wird ständig weitergegraben. Die archäologischen Funde sowie die geographischen Gegebenheiten im "lebendigen Museum" scheinen zwingend zu bestätigen, dass man sich vom Teutoburger Wald und seinem kolossalen Hermannsdenkmalals Tatort der römischen Niederlage verabschieden muss. Davon ist unsere leidenschaftlich engagierte Führerin nicht zu 99 sondern zu 100 Prozent überzeugt. Und zweifellos sind es hinfort auch einige Meckenheimer. 

Text: Schreiber-Esser, Fotos: Peinsipp/Rathgeber